6. September 2008

[TV&Co] Residuale Souveränität vs. Journalismus

Der Präsidentschaftswahlkampf der USA geht in die entscheidende letzte Runde und mit einem Mal geraten auch Hinterbänkler ins Visier der deutschen online-Medien. Wer den Link aufmerksam liest, wird sich zunächst denken: Aha, die Amis mal wieder!

Sarah Palin - so wird dem gemeinen Leser und arglosen Wähler suggeriert - ist also dafür, von staatswegen Sexualkundeunterricht zu verbieten und Abtreibungen gleich auch noch dazu. Das verzückt schließlich die konservativen Wähler. Und Frau McCain ist eher dafür, dass alles so bleibt wie es ist. Das wiederum soll die liberalen Wähler becircen.

Lustigerweise ist das alles ziemlicher Quark: Denn in den USA gibt es die sog. Residuale Souveränität, die im 10. Verfassungszusatz u.a. regelt, dass Gesundheit und Erziehung Sache der Bundesstaaten sind.
Mit anderen Worten: Sarah Palin, ihres Zeichens Schönheitskönigin designierte Vizepräsidentschaftskanidatin der Republikaner, fordert etwas, das zum einen absolut unmöglich dem Gesetz nach ist, zum anderen völliger Schwachsinn*). Weder kann ein Bundesgesetz den Bundesstaaten vorschreiben, was sie in ihrem Unterricht zu tun und zu lassen haben, noch kann ein Präsident Abtreibungen verbieten. Es wäre also notwendig, für jeden einzelnen Staat ein extra Gesetz zu erlassen, das ist aber Sache der Gouverneure und nicht von Washington.
Wohingegen McCains bessere Hälfte eigentlich absolut nichts beizutragen hat, als Palins Kommentar auch noch dadurch zu adeln, dass sie darauf reagiert - um die politische Mitte in den USA nicht zu "beruhigen" wie es heißt. Prinzipiell könnte sie aber auch gut finden, dass die Sonne scheint und es ab und zu regnet. Inhaltlich nähme sich das wenig.

Ich weiß nicht, was an der Sache ärgerlicher ist: Dass solche Nachrichten unreflektiert übernommen werden; dass solche Aktionen zur Volksverdummung dies- und jenseits des Atlantiks beitragen; oder dass man damit durchkommt und Nachahmer provoziert.
In jedem Fall unterstelle ich den beiden Protagonistinnen, dass sie es besser gewusst haben. Schließlich ist Sarah Palin selbst Gouverneurin und weiß bestens Bescheid über die Möglichkeiten und Einschränkungen von Bundesgesetzen. Das ist wohl die eigentliche Calamität an der Geschichte, dass sich beide Frauen für so eine Schmierenkomödie hergeben.

All in all: Wenn einem Informationen hingeworfen werden, die sämtliche Klischees und Vorurteile zu bestätigen scheinen ... sollte man ruhig stutzig werden und etwas genauer hinschauen.


*) persönlicher Kommentar

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