Manchmal hat Titanic wirklich grandiose Satire im Programm:
Alles, was wir entscheiden können, ist, was wir mit der Zeit tun, die uns gegeben wurde.
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

Nah dran? Nah dran zählt nur beim engen Tanzen und bei Handgranten.
Der Mexikaner Stéphane kommt nach dem Tod seines Vaters nach Frankreich zu seiner Mutter und zieht in eine Wohnung in deren Mietshaus ein. Auf der Treppe lernt er zufällig seine neue Nachbarin Stéphanie und deren Freundin Zoé kennen, in die er sich zunächst verliebt. Irgendwie schafft er es nicht, den beiden zu erzählen, dass er eigentlich nebenan wohnt, was in der Folge für einige seltsame und äußerst amüsante Slapstickeinlagen führt, um diese Lüge aufrechtzuerhalten.
Im Laufe der Geschichte verliebt er sich jedoch in Stéphanie, die seine Gefühle erwiedert, jedoch sehr wohl vom anfänglichen Interesse seinerseits an Zoé weiß - und damit auch sehr zurückhaltend und sogar abweisend in ihrem Verhalten ihm gegenüber ist. Dennoch entwickelt sich eine Freundschaft zwischen beiden, da Stéphanie ebenso künstlerisch begabt ist und Stéphanes Art versteht; beide beginnen, einen Film zu drehen.
Soweit wäre es eine eher durchschnittliche französische Liebeskomödie mit typisch offenem Ende. ABER: Stéphane ist ein Träumer. Und das nicht nur im übertragenem Sinne, sondern - für ihn - sehr real. So spielt er in seinen Träumen in einem aus Pappe gebauten Filmstudio seine eigene Hauptrolle, wacht immer wieder in einer Comicwelt aus Stop-Motion auf, traut sich Dinge, die er sich in der Realität nie trauen würde, und führt innere Zwiegespräche mit den Menschen aus seiner Umgebung inklusive Stéphanie.
Auf faszinierende und lustige Art wird dabei immer wieder der Übergang von Traum und Realität geschaffen: Mal sieht man Stéphane in seinem Papp-Studio das Geschehen außerhalb seines Kopfes kommentieren oder alltägliche Gegenstände beginnen ein Eigenleben zu entwickeln auf dass sich daraus die Traumwelt entfaltet.
Was bleibt? Science of Sleep ist eine traumhafte Weltflucht eines im Grunde genommen Kind gebliebenen Erwachsenen. Der Kinogägner wird mit auf diese Reise genommen, die mit ihren surrealen Einfällen und Wendungen immer wieder für Spannung und Komik sorgt. Einziger Kritikpunkt ist, dass der Hauptdarsteller im letzten Drittel des Filmes ein wenig abbaut und im Reigen der anderen Darsteller untergeht. Auch auf die unterschwellige Ausländerfeindlichkeit ihm gegenüber wird nicht weiter eingegangen - vielleicht dient das alles dazu, den Charakter zu schwächen, um der Traumwelt mehr Spielraum zu geben. Sowohl von der Tricktechnik (liebevolle old-school Animationen) als auch von der erzählerischen Dichte kann der Film sehr überzeugen und bietet letztlich auch durch seinen Wortwitz und absurd-surrealer Situationskomik viel Unterhaltung. Sehr sehenswert, hätte ich eigentlich gar nicht gedacht.